Leseprobe aus:
Mütter berühmter Schwabenköpfe

Rosalie Cotta

... Und während die Frau des Hof- und Kanzleibuchdruckers Cotta im vorderen Teil des Hauses sitzt, die noch zu schreibenden und schon fertigen Artikel des neuen "Stüks" sortiert, Ideen notiert und sich vornimmt, im Kreis "ihrer" Stuttgarterinnen demnächst für das "Oekonomie-Wochenblatt" nach jenem Rezept für eine besonders schmackhafte Mahlzeit nachzufragen, von dem beim letzten Kartenabend die Rede war, hört sie im hinteren Haus die Maschinen der Druckerei und vor ihrem Fenster die Geräusche der Königstraße. Das Kratzen der Feder auf dem Papierbogen vor ihr auf dem Tisch verliert sich im Lärm der vorbeifahrenden Kutschen, der rufenden Händler und laut spielenden Gassenjungs. [...] Sie steht auf und blickt aus dem Fenster, das ihr über Gemüsegarten und Mauerresten einen freien Blick in die Altstadt bietet. Von wem hat sie gehört, daß es bei den Hartmanns letzte Woche eine wunderbare musikalische Abendunterhaltung gegeben haben soll? Der Name fällt ihr gleich wieder ein, allerdings hat die junge Frau Hartmann von so vielen Gästen erzählt, die im Haus ihres Schwiegervaters verkehren. Auch Johann Caspar Schiller soll dazu gehören, das ist doch der Vater des Dichters, von dem ihr Sohn Johann Friedrich erst vor kurzem erzählt hat. Von der Hartmann hat sie auch erfahren, daß Johann Caspars Frau über verschiedene, besonders gute Kochanleitungen verfügen soll. Ob sie dort einmal nachfragen könnte? Aber um all das soll sie sich jetzt gar nicht kümmern, denn es müssen endlich die letzten Zeilen geschrieben werden.

Trotz der nicht nur augenscheinlichen, sondern auch nachgewiesenen Mitarbeit Rosalie Cottas erscheint ihr Name an keiner Stelle der Haushaltszeitschrift. Das ist nicht weiter verwunderlich, hegt doch die Männerwelt die übelsten Vorurteile gegen die "schreibenden Frauenzimmer", die sie mit noch bösartigeren Verleumdungen verfolgt als die "Lesewut" der Frauen. Das Schreiben stellt einen höchst suspekten Akt der Selbstautorisierung dar. Der einzige und das einzige, was der Frau in ihrem Leben eine Art von Autorität geben soll, ist der Mann und sonst niemand! Im Schreiben bewegt sich die Frau auf einem eigenen Terrain, dessen Zugang dem Mann versperrt scheint. Es droht Kontrollverlust des starken über das "schwache" Geschlecht, und das muß mit aller Macht verhindert werden. Alle Macht haben sie, und so können die Verleger, Drucker, Buchhändler, Zeitungsmacher, Kritiker, Leser und andere "geschmacksbildende" Multiplikatoren der Gesellschaft leicht dafür sorgen, daß noch hundert Jahre später August Strindberg und andere Frauenhasser schreiben können: "Es ist vollkommen überflüssig, daß die Frauen ihren Stuß niederschreiben. Dies bewirkt lediglich Unklarheit in den allerklarsten Dingen."

Neben der aktuellen Mitarbeit in Verlag und Druckerei ist es die Aufgabe der Frauen, sich im Hinblick auf die "unsichere Lebenszeit" der Menschen auf das Weiterführen des Geschäfts, der Druckerei, als Witwe vorzubereiten.
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Presse Presse
 

(c) 2005 Dipl.-Ing. Birgit Berger