Pressestimmen zu:
Frauenleben im Biedermeier
Heilbronner Stimme vom 4.12.1998
über Lesung in Weinsberg
Karin de
la Roi-Frey hat das Leben starker Frauen recherchiert - Vortrag in Weinsberg - Historische
Lebenswege aufgezeigt
Wichtige Frauen im Leben
namhafter Männer
Nicht nur namhafte Männer besuchten den Dichter und Arzt
Justinus Kerner in seinem gastfreundlichen Haus in Weinsberg. Im Gästebuch fanden sich
auch Besucherinnen. Karin de la Roi-Frey folgte anhand historischer Quellen den
Lebenswegen von fünf bemerkenswerten
Frauen, die mit dem Kernerhaus in Verbindung standen.
Initiiert vom Kerner- und Frauenverein las
sie in den Räumen der Stadtbücherei aus ihrem Buch "Frauenleben im
Biedermeier" vor. "Die Gäste, die im Kernerhaus im 19. Jahrhundert anzutreffen
waren, holten sich Inspiration, suchten die Begegnung", leitete die Autorin ein. Das
alles ginge nicht ohne den guten Geist seiner Frau Friederike, die für die Unterkunft,
das leibliche Wohl sorgte. Nicht selten mußte die Suppe verdünnt, die Kinder ohne Essen
ins Bett geschickt werden, so die Überlieferung.
Eine Haushaltsmanagerin sollte auch Sophie Schwab gewesen sein. Denn was
das Kernerhaus in Weinsberg war, war das Haus des Redakteurs beim Cotta-Verlag
Gustav Schwab in Stuttgart.
Aus noch vorhandenen Briefwechseln formte die Autorin ein interessantes
Bild der Lebensverhältnisse und der damaligen Haushaltstätigkeiten im 19.
Jahrhundert.
Bei ihren Recherchen mußte die ausgebildete Lehrerin "lange und tief"
graben, um Puzzleteil für Puzzleteil zusammenfügen zu können. "Ein
besonderer Augenblick ist, wenn ich ein Schriftstück oder Büchlein in den
Händen hielt, das die zu beschreibende Persönlichkeit vor längere Zeit
selbst besessen hatte", berichtete die Autorin.
Besonders tief graben mußte sie bei Karoline Schiller, der Tochter des
Dichters Friedrich Schiller. Durch den Tod des Vaters mit sechs Jahren,
versiegten auch die Informationen über Karoline. Nach langwieriger Suche
konnte Karin de la Roi-Frey ein Portrait eines der "selbstbestimmtesten
Frauen ihrer Zeit" zeigen.
Über Frauen hatte man damals wenig berichtet. So wurde auch der Lebensweg
von Charlotte Gmelin lediglich über den berühmten Nikolaus Lenau bekannt.
Die sich anbahnende, aber unglückliche Romanze zwischen den beiden bewegte
damals Gemüter. Nebenbei hörten die Dutzend Teilnehmer, welchen gesellschaftlichen
Normen und welcher Bevormundung im Biedermeier junge Frauen ausgesetzt
waren.
Wie die umjubelte Operndiva Agnes Schebest ihr Leben nach der gescheiterten
Ehe mit David Friedrich Strauß meisterte, wie die allein reisende Emma
von Sukow und einzige "Dichterfreundin Kerners" sich den Zwängen
der Frauen im 19. Jahrhundert widersetzte, erfuhren ebenfalls die Zuhörer.
Die Lesung war einfühlsam, erfrischend direkt und humorvoll. Die Lebensgeschichten
dieser Frauen imponierten der Autorin so sehr, dass sie jetzt bereits an
weiteren Frauenportraits recherchiere, verriet sie. (mam)
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© Heilbronner Stimme
Staatsanzeiger vom 26.4.1999
Leben im Biedermeier
Berühmte Besucherinnen bei Justinus Kerner in Weinsberg
Karin de la Roi-Frey: Frauenleben im Biedermeier - Berühmte
Besucherinnen bei Justinus Kerner in Weinsberg. Leinfelden-Echterdingen 1998. DRW-Verlag,
144 Seiten, 18 Abbildungen, 24,00 Mark.
Eine Art ländlicher Salon, beliebter
Intellektuellen-Treffpunkt und Ort für Kranke und Ratsuchende - das alles vereinte das
gastfreundliche Haus des Dichters und Arztes Justinus Kerner und seiner Frau Friederike in
Weinsberg. Eine Art bildgewordene Gästeliste (siehe Abbildung) gibt eine zeitgenössische
Darstellung ab, die das gastgebende Ehepaar Kerner im Kreise seiner illustren
Bekanntschaften zeigt. Die hier versammelte männliche Prominenz gab sich zeitweise im
Kernerhaus die Klinke in die Hand und hier den Ton an. Posierend in der ersten Reihe
umrahmen sie Justinus Kerner im Garten seines Hauses, Devot und pflichtbewusst tritt
dagegen die einzige Frau im Bilde auf: Hausherrin Friederike, ein Tablett mit Geschirr
herbeitragend. Sie scheint offenbar keinen geistig anspruchsvollen Part in diesen
Diskutiergesellschaften übernommen zu haben - meint zumindest der Illustrator.
Karin de la Roi-Frey machte sich ans Werk, solche
biedermeierliche Sichtweisen zurechtzurücken, die zum Teil noch bis heute in der
Geschichtsschreibung umhergeistern - zum Schaden der Frauen. Die Autorin legt hier ein
kleines Büchlein voller Wortwitz und Informationen zum "Frauenleben im
Biedermeier" vor.
De la Roi-Frey hat diverse Stadt- und Staatsarchive auf der Suche
nach den Lebensspuren der weiblichen Gäste im Hause Kerner durchkämmt und ist dabei auf
eine Reihe interessanter Frauenbiographien gestoßen. Sie skizziert fünf Porträts
gewöhnlich-außergewöhnlicher Frauen und verbindet ihre Lebensgeschichte mit
unterhaltsamen und aufschlussreichen Details zur Sozialgeschichte der Frau im 19.
Jahrhundert.
Sophie Schwab, das "köstlich Weib" des Dichters und
Kulturpolitikers Gustav Schwab, tritt uns als selbstbewusste und energische Frau entgegen,
die durchaus ihr eigenes Leben lebte. Besonders mit Kerners Frau Friederike verbunden,
nutzte sie so manche Reise nach Weinsberg, um sich von ihrem anstrengenden Job als
Hausfrau zu erholen. Einem Gelehrtenhaushalt vom Format des Kerner'schen und Schwab'schen
Hauses vorzustehen, war keine Kleinigkeit. Bis zu 20 Personen auf einmal galt es zu
bewirten.
Dass Sophie Schwab nebenher auch noch schriftstellerisch tätig
war, vermutet Karin de la Roi-Frey, die Ihren Schriftwechsel mit Justinus Kerner sichtete.
Aber keine einzige literarische Zeile von ihr ist überliefert. Wundern muss man sich
darüber aber nicht, lebte Sophie Schwab ja nun einmal in einer Zeit, die die
geistig-literarische Betätigung von Frauen mit höchstem Argwohn betrachtete.
Anstandswächter Freiherr von Knigge versteigt sich sogar zu der Ansicht, "dass
nichts widerwärtiger und unbrauchbarer sei als ein gelehrtes unpraktisches
Frauenzimmer". Er beschreibt ein Schreckensszenario, das jeden besorgten Gatten dazu
veranlassen musste, seine Frau von Büchern fernzuhalten: "Es geht Alles Verkehrt im
Hause; die Speisen kommen kalt oder angebrannt auf den Tisch; es werden Schulden auf
Schulden gehäuft; der arme Mann muss mit durchlöcherten Strümpfen einherwandeln."
Das Bild der Frau im 19. Jahrhundert transportiert immer wieder
die gleichen Attribute. Nähkästchen, Strickstrumpf und Toilettenspiegel feiern ihr
dekoratives Mauerblümchendasein. Betätigt sich die Frau auf musischem Gebiet, so sieht
der Betrachter sie bei musikalischen Einlagen am Klavier. Mal spielend, mal singend ist
sie stets nur Interpretin, in den wenigsten Fallen eigenständige Künstlerin.
Eine Ausnahmeerscheinung war Agnes Schebest. Trotz der allzu
besorgten Meinung männlicher Theoretiker, das Singen schwieriger Partituren könne bei
Frauen gesundheitliche Schäden hervorrufen, verhilft Schebests berühmter Mezzosopran ihr
zu nachhaltigen Erfolgen. Engagements führen sie von Dresden ausgehend an die wichtigsten
Bühnen Europas. Ihre Künstlerkarriere nimmt aber ein jähes Ende, als der Theologe und
Schriftsteller David Friedrich Strauß in ihr Leben tritt. Mit der Heirat gibt Agnes
Schebest ihren Beruf auf und fristet ein beschränktes Dasein als Begleiterin eines
verbitterten Mannes.
Nicht weit vom Weinsberger Domizil Kerners lassen sich die beiden
nieder. Die Kerners werden zu Zeugen eines noch heute klassischen Ehekonflikts, der sich
bald nach der Hochzeit anbahnt. Der sich sonst so freigeistig gebende Strauß entpuppt
sich in der Frauenfrage als unbeweglicher Reaktionär. "Ich sehe hier, wie die
weibliche Natur, wenn sie unverdorben sich treu geblieben, durch alle Abweg anderweitigen
Berufs hindurch die Bestimmung zum Hausmütterlichen in sich trägt." Agnes Schebest
scheint von ihrer Ehe nicht die gleiche Meinung gehabt zu haben. Nach immerhin erst 20
Jahren geht das Paar unter bösem Gezänk auseinander.
Karin de la Roi-Frey ist es gelungen, die Gratwanderung der
Frauen im Biedermeier zwischen den Verlockungen eines Patriarchenhaushaltes und einem
selbstbestimmten Leben zu illustrieren. Das Zeitalter der Emanzipation war noch lange
nicht angebrochen, und so entfalten sich weibliche Freiheiten in bislang nur engen
Nischen. Frauenforschung im Bereich des 19. Jahrhunderts ist Puzzlearbeit. Um so
erfreulicher, wenn darin ein "Bild" dabei herauskommt, das so unterhaltsam
geschrieben ist wie dieses Buch im Handtaschenformat.
Kerstin Renz
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© Staatsanzeiger
Studentenkurier 1/2000
Frauenleben
im Vormärz
"Wir
Frauen sind mit gar zu vielen Fädlein angebunden ..." De la Roi-Frey: Frauenleben im
Biedermeier; DRW-Verlag Weinbrenner, Leinfelden-Echterdingen 1998, ISBN 3-87181-397-4, 144
S., 18 SW-Abbildungen, 24,00 DM.
"Biedermeier" und
"Biedermeierzeit" klingen heute behäbig und spießbürgerlich; allerdings
zeigen sich doch Risse in der glatten Oberfläche solcher Klischees, wenn man sich klar
macht, daß dieselbe Epoche auch als "Vormärz" bezeichnet wird, was politische
und gesellschaftliche Spannungen erahnen läßt. In dieser widersprüchlichen Atmosphäre
leben die von de la Roi-Frey porträtierten Frauen Sophie Schwab, Karoline Schiller, Agnes
Schebest, Emma von Suckow und Charlotte von Gmelin. Gemeinsam ist ihnen außer der
Herkunft aus einem am ehesten als bildungsbürgerlich zu charakterisierenden Milieu
lediglich der Kontakt zum schwäbischen Dichterkreis um Justinus Kerner, der in Weinsberg
lebte und ein offenes Haus für Intellektuelle und Literaten führte. Die Besuche im
"Kernerhaus" macht die Autorin zum Ausgangspunkt und Rahmen ihrer fast
beiläufig plaudernden Erzählung über das Leben der fünf Frauen. Alle wachsen sie mit
den Privilegien von materieller Unabhängigkeit und in musisch-literarisch interessierten
Familien auf, erhalten dabei allerdings keinen systematischen Unterricht, wie er auch kaum
für Mädchen zugänglich gewesen wäre.
Innerhalb gewisser (heute sehr eng anmutender)
Grenzen gestalten und dokumentieren sie ihren Lebensweg selbst neben der Belastung durch
Haushaltsführung für Ehemänner und Kinder. Drei von ihnen sind zumindest zeitweise
beruflich tätig - Schebest als Sängerin, von Sukow als Schriftstellerin und Schiller als
Erzieherin und Lehrerin. Schwab und Gmelin scheinen sich ganz auf die Rolle der Muse und
Mitarbeiterin ihres Mannes beschränkt und eigene Studien oder Arbeiten aufgegeben zu
haben. So banal sich das jedoch heute lesen mag - in einer Zeit, in der ein Schreibtisch
als ein für Frauen unschickliches Möbel galt, muß es nicht nur echter Begabung und
Intelligenz, sondern auch beträchtlicher innerer Unabhängigkeit und
Durchsetzungsfähigkeit bedurft haben, um sich gegen tonangebende Ideale zu behaupten.
Leider verliert sich de la Roi-Frey gelegentlich
in ausführliche Abschweifungen (meist zu männlichen Personen) im Umfeld; so dominiert im
Kapitel über Karoline Schiller stellenweise der berühmte Vater und verdrängt sie
selbst.
Insgesamt jedoch zeichnet das Buch nicht zuletzt
durch die liebevolle Gestaltung mit den dem Text harmonisch eingefügten Abbildungen ein
lebendiges Bild des sozialen und intellektuellen Klimas, in dem sich die Beschriebenen
bewegten. Es regt an, sich weiter mit der "eigenen Geschichte" nur zu schnell
vergessener Frauen zu beschäftigen.
Ursula Schwemmle
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© Studentenkurier
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