KONFIRMATIONSANZUG
Er stammte aus einer alteingesessenen Familie und gehört zu den
berühmten Söhnen der Insel, er erhielt die Ehrenbürgerwürde und die ehemalige
"Große Straße" vom Glockenturm hinunter zur Königstraße wurde auf seinen
Namen umbenannt: Friedrich Christiansen.
Die DO-X vor Föhr auf Reede liegend.
Besucher lassen sich mit einem Boot hinbringen |
Sechs
Jahre alt war Großmutters Sohn Otto, als er 1932 an einem frischen Augusttag zum Sandwall
hinunterlief, um eines der beeindruckendsten Ereignisse in der Geschichte Föhrs
mitzuerleben, das ihm für immer unvergessen bleiben sollte. Eine Chronik berichtet:
"Das sonst so ruhige Wyk, der liebliche kleine Badeort, ist in festlicher Aufregung.
Die Landleute verlassen die Erntearbeit, alles strömt zum Wyker Strand, wo sich gegen
Mittag alles, was Beine hat, in erwartungsvoller Stimmung versammelt. Die Häuser sind
beflaggt und geschmückt, und keiner entsinnt sich, jemals so viele Menschen am Strand
gesehen zu haben." Sie warteten alle auf Friedrich Christiansen, der mit seiner DO-X
den Atlantik überquert hatte und damit bis in alle Ecken der Erde bekannt geworden war.
Und dieser "Föhrer Junge" sollte nun mit seinem Großraumflugzeug der Firma
Dornier auf der Nordsee vor Wyk landen! Immer wieder erzählte mein Vater im Laufe seines
Lebens von diesem unglaublichen Moment, als ein tiefes Brausen in der Luft die Ankunft
Friedrich Christiansens und seiner DO-X ankündigte, die kurz darauf von einer jubelnden
Menge am Himmel gesichtet und begrüßt wurde.
Über dieses Erlebnis hinaus hatte mein Vater, dessen Konfirmation
während des zweiten Weltkrieges stattfand, noch eine ganz persönliche Erinnerung an den
DO-X-Kapitän Christiansen. Vaters ohnehin schon einfaches und sparsames Elternhaus mußte
sich während dieser Jahre noch mehr einschränken, und es war meiner Großmutter
unmöglich, ihrem Ältesten einen Konfirmationsanzug zu nähen oder gar zu kaufen. Dabei
wäre es wohl auch geblieben, hätte es Friedrich Christiansen nicht gegeben, dessen Name
von meinem Vater seither mit einer gewissen Dankbarkeit genannt wurde. Seit dem Einmarsch
der Deutschen in den Niederlanden war der ehemalige DO-X-Kapitän zuständig für die
Evakuierung, Räumung und "Säuberung" bestimmter Orte, Straßen und Häuser.
Teile des auf diese Weise zurückgelassenen Eigentums brachte Friedrich Christiansen auf
seine Heimatinsel und ließ es an Bedürftige verteilen. Und so bekam mein Vater doch noch
einen Konfirmationsanzug.
Erst viele Jahre später, nachdem ich diese Geschichte das erste Mal
gehört und die Friedrich-Christiansen-Straße wegen der Verfehlungen ihres Namensgebers
wieder in "Große Straße" umbenannt worden war, wagte ich meinen Vater zu
fragen, ob ihm nicht einmal der Gedanke gekommen sei, welcher Junge wohl vor ihm den Anzug
getragen hätte...
[Strandräuber]
[Konfirmationsanzug]
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